Einer geht noch 
Hannes Finkbeiner
304 Seiten
Gebundene Ausgabe: 24,00 €
Roman
FISCHER

Die Summe aller Farben ist Weiß, und die Summe aller Gefühle ist die Liebe. Wer das Leben in all seiner Vielfalt erleben will, muss sich auch den grauen Tönen und den schmerzhaften Momenten stellen. Und sogar der eigenen Sterblichkeit. So wie es der 93-jährige Fidus Bergmann über viele Jahre getan hat. Im Roman Einer geht noch von Hannes Finkbeiner berichtet der rüstige Senior seinem Enkel von der Fülle des Lebens, die er vor allem dank seiner drei Tode zu schätzen lernte.

Ein Leben zwischen Verlust und Offenbarung

Alo ist verzweifelt. Gerade noch saß der Student mit seinem Vater Alfred in der Gaststätte Ritter – zwischen Schnitzel und Bananensplit –, da findet er sich plötzlich in der Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses wieder. Alfreds Herz hat plötzlich gestreikt, und obwohl er reanimiert werden konnte, schwebt der Mittfünfziger nun zwischen Leben und Tod. Inmitten dieser existenziellen Krise taucht Großvater Fidus auf – mit einer Nonchalance, die Alo gleichermaßen irritiert wie provoziert. „Tot zu sein ist eine unangenehme Sache, aber kein Weltuntergang“, sagt Fidus und bringt damit Alos Nerven zusätzlich in Wallung. Doch die Aussage hat Gewicht: Der alte Mann behauptet, selbst schon dreimal „mausetot“ gewesen und jedes Mal wieder zurückgekehrt zu sein.

Erzählungen eines Überlebenskünstlers

Was zunächst wie eine abstruse Behauptung klingt, entpuppt sich bald als die Klammer einer faszinierenden Lebensgeschichte. Die Beziehung zwischen Enkel und Großvater, bislang bestenfalls eine Randerscheinung in Alos Leben, wird zum emotionalen Härtetest. Mit Witz, Wärme und einer Prise Unverschämtheit erzählt Fidus, wie er Alos Großmutter in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges lieben gelernt hat, wie er als junger Fahnenflüchtiger vor der SS floh und dass er einst in einem Café in Barcelona mit Salvador Dalí über den Tod parlierte. Episoden, die Alo nicht nur die Perspektive seines Großvaters näherbringen, sondern auch einige bislang unbekannte Kapitel der gesamten Familiengeschichte aufdecken. Mit Folgen: Inspiriert von Fidus‘ unerschütterlichem Lebensmut, findet Alo sogar den Mut, seiner chronischen Unstetigkeit endlich entschlossen ein Ende zu setzen. Zumindest fast …

Ein eigener Ton mit tiefgründigem Humor

Einer geht noch erinnert natürlich an Jonas Jonassons Bestseller Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand. Doch Finkbeiner findet seinen eigenen Ton: rau, warmherzig und oft entwaffnend komisch. Sein Fidus Bergmann ist ein (Über-)Lebenskünstler, den man nur zu gern durch die Jahrzehnte begleitet. Finkbeiners Buch ist eine Aufforderung: Genieße dein Leben und nimm das, was du beeinflussen kannst, in die eigene Hand – selbst dann, wenn man wie Fidus seine Mitmenschen manchmal zur Weißglut treibt! Sehr empfehlenswert!

Rainer Tautz

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