Mittagsstunde
Regie: Lars Jessen
Mit Charly Hübner, Lennard Conrad, Peter Franke, Rainer Bock, Hildegard Schmahl, Gabriela Maria Schmeide, Gro Swantje Kohlhof
97 Minuten
Drama
Digital (EST): 23. Februar 2023
DVD, Blu-ray, VoD: 09. März 2023
© Majestic
Der kann machen, was er will. Den Schauspieler Charly Hübner im Fernsehen oder auf der Leinwand zu sehen, ist immer ein Ereignis. Meistens sucht sich der heute 50-jährige Charakterdarsteller aber auch noch die perfekten Geschichten und Geschichtenmiterzähler aus. So wie beim Polizeiruf 110, für den er zwölf Jahre lang den knorrigen Polizeihauptkommissar und Grenzgänger Alexander Bukow gab. Oder wie im traurig-schönen Provinzdrama Mittagsstunde.
Hübner spielt den Endvierziger Ingwer Feddersen. Ein Mann, der an der Universität der „großen Stadt“ Kiel einen Lehrstuhl innehat und dort in einer modernen, aber seltsamen Dreierbeziehung mit Ragnhild und Claudius zusammenlebt. Ursprünglich stammt Ingwer aus dem nordfriesischen Dorf Brinkebüll, wo sein Vater Sönke seit Jahrzehnten einen Landgasthof bewirtschaftet.
Da sowohl die Kräfte als auch die geistigen Fähigkeiten seiner Eltern deutlich nachlassen, entscheidet sich Ingwer für ein Sabbatical. Er lässt seine Tätigkeiten in Kiel ruhen und kommt zurück nach Brinkebüll. Die Freude über die Heimkehr des verlorenen Sohnes hält sich allerdings in Grenzen. Zu viel von dem, was der Familie Feddersen vor langer Zeit zustieß (und was sich die Menschen gegenseitig antaten), hat sich in Trübsal und Verbitterung in die Seelen geätzt. Die Trostlosigkeit des sterbenden Dorfes hat ihren Teil dazu beigetragen.
Mit Verständnis, Toleranz und dickem Fell stellt sich Ingwer den Herausforderungen seines Vorhabens. Er zieht ins elterliche Haus, unterstützt dort so gut wie möglich seine Eltern und kümmert sich. Vor allem aber konfrontiert sich der einstige Dorfjunge mit seiner Vergangenheit und den Entscheidungen, die er vor vielen Jahren traf.
Alles an dem Film Mittagsstunde ist schön. Und deshalb so traurig. Denn es verschwindet. In wunderschönen Bildern lassen Regisseur Lars Jessen (Fraktus) und Kameramann Kristian Leschner (How to Sell Drugs Online (Fast)) die guten alten Zeiten der 1960er- und 1970er-Jahre wieder aufleben, um sie fast gleichzeitig wieder zu zerstören. Das bunte Dorfleben, der kleine Tante-Emma-Laden, die gemütliche Kneipe, das Eishockey-Spiel auf dem zugefrorenen Teich: Wo ist alles das geblieben? Und welche Vorzüge haben die vielen Optimierungen in Form von Flurbereinigungen, Schnellstraßen und Discounter dem Menschen wirklich gebracht?
Es ist sicher kein Zufall, dass die große Tragödie der Familie Feddersen in den Sechzigerjahren mit dem Besuch von drei jungen Landvermessern in Brinkebüll beginnt …
Mittagsstunde ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Dörte Hansen. Da der Film leider nur 97 Minuten dauert, ist auch die Lektüre des Romans sehr zu empfehlen. Denn mit dem Buch ist man weitaus länger in Brinkebüll unterwegs.
Rainer Tautz
Der Trailer zu Mittagsstunde:
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