Über 200 Interviews hat „Fritze“ Gast mit Familien aus Werl-Aspe und Knetterheide geführt, um die Geschichten und Anekdoten seines Ortsteils festzuhalten. Mehr als 13.000 Fotos hat er zudem zusammengetragen. Die Ergebnisse seines Hobbys hat der ehemalige Gas- und Wasserinstallateur bisher in zwei Dorfchroniken über den Ortsteil einfließen lassen. Wie es dazu kam, wie er die Entwicklung von Knetterheide einschätzt und wieso die Zukunft des Ortsteils rosig aussieht, verriet uns der 73-Jährige im Interview.
Hallo Fritz, wir treffen uns heute bei dir zu Hause. Fritz Gast wohnt in der Gaststraße – Zufall?
Das Grundstück, auf dem wir uns gerade befinden, ist seit 1835 in Familienhand. Und Straßennamen gab es im Ortsteil damals noch nicht. Mein Opa eröffnete hier in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine Schuhfabrik. Die Straße dorthin war zu dem Zeitpunkt eher ein Feldweg. Erst nach dem Krieg wurde dieser dann befestigt. Als 1956 den Straßen im Ortsteil ihre Namen gegeben wurden, richtete man den Blick auf die Fabrik, um die Straße nach ihr zu benennen. Später habe ich hier dann meine Wohnung eingerichtet.
Man könnte also sagen, dass du durch und durch ein waschechter Knetterheider bist?
Zumindest bin ich ein alteingesessener Knetterheider, der sich dem gesamten Ortsteil sehr verbunden fühlt. Daher bin ich auch seit einigen Jahren im Heimatverein Werl-Aspe, in der Interessengemeinschaft Knetterheide und im Ortsausschuss aktiv tätig.
Wie kamst du dazu, sogar an der Dorfchronik mitzuwirken?
Der ehemalige Stadtarchivar Franz Meyer hatte 2009 die Idee zu einem Buch über die Geschichte des Ortsteils. Als ich hörte, dass er noch Unterstützung für die Umsetzung suchte, habe ich mich zur Verfügung gestellt. Franz Meyer hat mich dann sehr schnell mit seiner Begeisterung angesteckt. Interessiert hat mich Heimatgeschichte schon immer. Doch wie man professionell Bilder und Geschichten archiviert und wie man gute Interviews mit Zeitzeugen führt, das alles hat mir dann Franz Meyer gezeigt. Da ich damals in Rente gegangen bin, konnte ich mich voll auf mein neues Hobby konzentrieren.
Wie lange hat es gedauert, die Geschichten und Fotos zusammenzutragen?
Zunächst habe ich im engeren Familien- und Freundeskreis recherchiert. Von hier aus haben sich meine Erkundigungen dann immer weiter ausgeweitet, bis ich mit Menschen aus dem ganzen Ortsteil gesprochen habe. Viele Familien haben mir Fotos zur Verfügung gestellt und ihre Geschichten erzählt. Fünf Jahre hat es gedauert, bis das erste Buch herauskam. Drei Jahre später haben wir dann die zweite Chronik nachgelegt.
Wie waren die Reaktionen auf die beiden Bücher?
Wir waren wirklich baff. Das Interesse war riesig, innerhalb kürzester Zeit waren fast alle Exemplare vergriffen. Sogar bis nach Kanada, Südafrika und nach Japan wurden Exemplare geschickt. Die Verbindungen von Werl-Aspe und Knetterheide reichen bis in die ganze Welt. Das zweite ist längst nicht mehr zu haben. Und auch vom ersten Buch ist nur noch ein Verkaufsexemplar übrig. Nach dem riesigen Erfolg spielen Franz Meyer und ich mit dem Gedanken, die Arbeit zu einem dritten Buch aufzunehmen. Schließlich haben wir noch immer sehr viel unveröffentlichtes Material.
Das Leben in Werl-Aspe und Knetterheide vor 100 Jahren: Wie kann man sich das vorstellen?
Der Ortsteil war stets ein Arbeiterdorf. Mit der Industrialisierung kamen dann immer mehr Menschen hierher. Vor allem Mitarbeiter der Hoffmann‘s Stärkefabriken. Aber auch Weber und Ziegler, die auch fernab des Ortsteils ihrem Beruf nachgingen. Zudem bestimmten Höfe, Bäcker und Gastwirtschaften das Ortsbild. Später dann auch Möbel- und Schuhfabriken. Die Infrastruktur war früher natürlich noch nicht so ausgebaut wie heute. Ärzte gab es nicht in der Nähe. Man half sich selbst. Dann häufig mit Tinkturen und Handauflegen statt mit moderner Medizin. Noch bis in die 1950er-Jahre war in Werl-Aspe und Knetterheide ein allgemeiner Aberglaube deutlich spürbar. Da mussten Menschen beispielsweise auch mal über Sensen gehen, um den Teufel fernzuhalten. Solche Dinge waren damals keine Seltenheit.
Der Ortsteil wächst nach wie vor rasant. Wie beurteilst du diese Entwicklung?
Die gute Lage von Werl-Aspe und Knetterheide zieht die Menschen natürlich an. Mobilität und die Nähe zu Bielefeld spielen da eine wichtige Rolle. Zudem gibt es hier mittlerweile auch Lebensmittelgeschäfte, Ärzte und Kindergärten. Generell sehe ich den stetigen Zuwachs an Menschen positiv. Denn er sorgt dafür, dass sich der Ortsteil auch zukünftig weiterentwickeln wird. Die Bebauungskonzepte müssen meiner Meinung nach allerdings etwas cleverer durchgeplant werden. Aber auch da sehe ich recht optimistisch in die Zukunft. Denn die Pläne für die weitere Entwicklung im Südfeld, also dort, wo die Bebauung bald den Fritz-Niewald-Weg überqueren wird, scheinen mir gut durchdacht zu sein.
Welches historische Ereignis in Knetterheide ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Da muss man tatsächlich gar nicht mal so weit zurückblicken. Die Errichtung des neuen Schriftzugs im August hat mir sehr viel bedeutet. Zwar war Knetterheide noch nie ein offizieller Ortsteil von Bad Salzuflen, sondern immer „nur“ ein Ortsteil der Gemeinde Werl-Aspe. Doch für die Menschen von hier hat der Name einfach eine große Bedeutung. Das hat man schon daran gesehen, dass bei der Einweihungsfeier über 600 Menschen anwesend waren. Einige kamen sogar aus Übersee; Auswandererinnen und Auswanderer aus Knetterheide, die mittlerweile Deutsch mit starkem englischem Akzent sprechen. Die Interessengemeinschaft Knetterheide, die ohnehin viel für den Ortsteil tut, hat mit diesem Projekt meiner Meinung nach einen wichtigen Meilenstein in der Knetterheider Geschichte gesetzt.
Christopher Berndt