Ein Mann und drei Konzertgitarren: Singer-/Songwriter wie der gebürtige Norweger Reidar Jensen benötigen kein großes Geschirr, um ihre Botschaften eindrucksvoll zu vermitteln.
Schon die angenehm warme, leicht rauchige Stimme des gebürtigen, aber lange schon in Deutschland lebenden Norwegers reicht aus, um die Besucher des vom Kulturverein Gleis 1 durchgeführten Konzertes Abstand vom Alltag finden zu lassen. Mit dem ersten Akkord wird der Abstand größer, jetzt geht es auf eine spannende Reise in die Gefühls- und Gedankenwelt des sympathischen Mitsechzigers Jensen. Seine Songs handeln von den schönen Seiten des Lebens, beschreiben die ersten Knospen einer frischen Liebe (The Day I Met Her), blenden aber auch die Schattenseiten des Daseins nie ganz aus. Etwa dann, wenn der Wahl-Münsterländer mit No Longer den peinigenden Trennungsschmerz besingt.
Überhaupt hat Reidar Jensen ein gutes Gespür für die zuweilen unerbittlichen Lebensrealitäten und ein Faible für gebrochene Menschen. In Exit singt er vom einst erfolgreichen Investmentbanker, der das Vermögen eines Kunden verzockt und plötzlich vor dem beruflichen Aus steht.
Viel Selbsterlebtes hat Reidar Jensen in seinen Songs verarbeitet. Wie sehr er in der Tradition seiner großen musikalischen Vorbilder Donovan, James Taylor und Bob Dylan sowie in deren Bewusstsein für gesellschaftliche Vorgänge verortet ist, zeigt sich mit Songs wie Darkness Of My Mind, mit dem Jensen das Schicksal eines syrischen Flüchtlings aufgreift.
Das zweistündige Programm verlangte mit seinen sensiblen in englischer Sprache gesungenen Inhalten vom Publikum viel Aufmerksamkeit. An der einen oder anderen Stelle wären deutsche Texte ein willkommener Kontrapunkt gewesen. Am Ende des Konzerts gingen die zufriedenen Besucher mit der Gewissheit nach Hause, dass hellwache, feinfühlige Künstler wie Reidar Jensen mit ihrem Tiefgang gerade in krisengeschüttelten Zeiten wie jetzt wichtiger sind denn je.