Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen
Hendrik Cremer
240 Seiten
22,00 €
Sachbuch
berlin Verlag
Wie umgehen mit der „Alternative für Deutschland“? Geht es nach Hendrik Cremer, dann führt um das Verbot der Partei kein Weg vorbei. In seinem Buch „Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen“ hat der Experte für Menschenrechte zahlreiche Beispiele dafür zusammengetragen, wie die AfD mit sprachlichen Codes, Provokationen und Bagatellisierungen immer wieder Verfassungsfeindlichkeit andeutet, ohne sich allerdings dafür angreifbar zu machen.
Bevor Hendrik Cremer in seinem Buch aus dem Vollen (der medialen AfD-Präsenz) schöpft, macht er deutlich, dass er vom Fach ist und sich mit den Regeln der Rechtsstaatlichkeit bestens auskennt. Als Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte sind ihm die Linien, die den Rechtspopulismus vom verfassungsfeindlichen Radikalismus trennen, bestens vertraut. Auf Letzteres deuten nach seiner Auffassung auch die von der AfD verwendeten Schlüsselbegriffe wie „Volksgemeinschaft“ und „Kulturelle Identität“ hin, die zwar wie Gemeinschaft klingen, jedoch genau das Gegenteil bewirken sollen – nämlich Abgrenzung, Ausgrenzung und das Herausstellen von vermeintlicher Andersartigkeit.
In den AfD-Parteiprogrammen der vergangenen Jahre findet Cremer zahlreiche Indizien, mit denen die Partei diese Andersartigkeit auf Gruppierungen aufteilt und hierarchisiert. Die Partei unterstreicht nicht nur „den Dominanzanspruch der von ihr konstruierten ‚deutschen Leitkultur‘“, sondern verorte diese auch durch Interpretation in das „Fundament des Grundgesetzes“, so der Autor. Hendrik Cremer erkennt hierin eine eindeutig verfassungsfeindliche Anschauung.
Trotzdem komme die Partei ihrem Ziel, die freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie gegen ein homogenes national-völkisches Konzept einzutauschen, mit großen Schritten näher, so Cremer. Denn bei immer mehr Menschen verfangen die Bilder, die die AfD von Deutschland, von sich selbst und von ihren politischen Gegnern zeichnet. Gleichzeitig versagen laut Hendrik Cremer besonders die Medien und auch die etablierten Parteien im Umgang mit der „Alternative für Deutschland“. Das „Sagbare wird ausgeweitet“, Positionen des „Originals“ (AfD) werden kopiert und die mediale Reichweite der Führungspersonen wird kontinuierlich vergrößert.
„Die Lage ist ernst“, warnt Hendrik Cremer mit einem Verweis auf die Geschichte. „Auch der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging eine Entwicklung voraus, in deren Verlauf menschenverachtende Positionen einen hohen Grad an gesellschaftlicher Normalität erreicht hatten“, so der Autor. Wer sich (auch mithilfe des Buches von Hendrik Cremer) vergegenwärtigt, wie sich der Ton, das Miteinander und die Toleranzbereitschaft der Menschen seit Jahren verändern, kann es kaum ignorieren: Unsere Gesellschaft ist schon jetzt an einem Punkt angekommen, der vor wenigen Jahren noch für unmöglich gehalten wurde.
Rainer Tautz