Mit Teil fünf der Salzstreuner-Serie Straßen und ihre Gesichter blicken wir auf bewegende Geschichten aus der Schülerstraße.
Im Herzen von Schötmar zweigt sich die Schülerstraße vom südlichen Ende der Begastraße ab, um nach etwa 450 Metern quer auf die Schloßstraße einzubiegen. In der relativ schmalen Straße haben in der Vergangenheit interessante Persönlichkeiten ihren historischen Fußabdruck hinterlassen.
Zum Beispiel Albrecht Sprick. Er gilt als einer der Pioniere, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung Schötmars vorangetrieben haben. Wie sein Bruder Wilhelm lernte auch Albrecht das Bäckerhandwerk. Anschließend betrieb er eine Bäckerei und Konditorei in Salzuflen. Im Jahr 1897 wurde er Teilhaber und ab 1898 Alleininhaber der Schötmaraner Keksfabrik Mensch & Schnapp. Unter Spricks Leitung begann das Unternehmen regelrecht aufzublühen: Parallel zur Schülerstraße ließ der Unternehmer ein dreistöckiges Fabrikgebäude errichten. Zudem wurde die Belegschaft mehr als verdoppelt. Von den 65 Arbeitskräften war die Mehrzahl unter 16 Jahre alt. Auch das Angebot erweiterte sich unter Spricks Leitung. Schon bald wurden hier auch Waffeln und Schokolade hergestellt. 1929 war allerdings Schluss, die Firma rutschte in den Konkurs. Heute steht nur noch das ehemalige Wohnhaus von Albrecht Sprick an alter Stelle: ein mittlerweile restauriertes Fachwerkhaus (Schülerstraße 11).
Sprick war der Onkel des 1901 geborenen Malers Richard Sprick. Nach Studien in Bielefeld und Kassel sowie Umzügen nach Berlin, Worpswede und Bochum war Richard Sprick zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ein etablierter Künstler. Als die Wohnung in Bochum durch einen Bombenangriff zerstört wurde, zog es ihn gemeinsam mit seiner Frau Lotte zu Verwandten nach Schötmar. Hier ließen die Spricks nach dem Krieg nach eigenen Entwürfen ein Wohn- und Atelierhaus erbauen. Das heute unter Denkmalschutz stehende Gebäude befindet sich, nur wenige Meter entfernt von Albrecht Spricks Wohnhaus, in der Neuen Straße 1.
Mit der Machtergreifung der Nazis erlitten auch viele Menschen in der Schülerstraße tragische Schicksale. So zum Beispiel die jüdische Familie Wallhausen, die in der Schülerstraße 20 eine Metzgerei betrieb. Während der Reichspogromnacht im November 1938 wurde eine Fensterscheibe des Geschäfts eingeschlagen. Wenig später wurde die Metzgerei zwangsweise geschlossen. Im Jahr 1941 wurden Bertha und Moritz Wallhausen sowie ihr 20-jähriger Sohn Günter in das Ghetto von Riga deportiert. Während der Verbleib seiner Eltern ungeklärt blieb, überlebte Günter Wallhausen nach Aufenthalten in diversen Lagern den von den Nazis organisierten systematischen Massenmord. Nach Schötmar kehrte er allerdings nicht mehr zurück. Zunächst lebte er in Schweden, dann wanderte er nach Australien aus.
Quellen: Scheef, Vera; Wiesekopsieker, Stefan (2012): „Was ich zu sagen habe, hängt an den Wänden“. Der Maler Richard Sprick. Detmold. // Hartmann, Jürgen (2021): Gebrochene Jugend, gebrochenes Leben. Der Leidensweg des Holocaust-Überlebenden Günter Wallhausen aus Schötmar. In: Hartmann, Jürgen; Ruppert, Andreas (Hrsg.): Rosenland. Zeitschrift für lippische Geschichte; 26, S. 20 – 45. // Wallbaum, Kurt (1993): Schötmar: Vom Kirchdorf zur Industriestadt. Bad Salzuflen: Bad Salzuflen, S. 239 – 241.