Im vierten Teil der Salzstreuner-Serie Straßen und ihre Gesichter zieht es uns aus dem Stadtkern hinaus in den Ortsteil Knetterheide.
Zwischen Schötmar und Bexten verläuft hier die zwei Kilometer lange Bielefelder Straße quer von Osten nach Westen. Dabei nimmt sie zahlreiche Nebenstraßen auf, die in die verwinkeltesten Ecken des Ortes führen. Die Dichte der Besiedelung hat hier in den vergangenen 150 Jahren rasant zugenommen. Menschen kamen und gingen – ebenso zahlreiche Firmen und Einrichtungen.
Ein Unternehmen, das in Knetterheide über 100 Jahre lang ansässig war, war die Tischlerei Bröker. Unweit des östlichen Ortseingangs und direkt am Heerser Bruch gelegen, wurde es im Jahr 1848 gegründet. Hier wurde alles hergestellt, was das Holz hergab: Wagenräder, landwirtschaftliche Maschinen, Einrichtungsgegenstände und Särge. In der Mitte des 20. Jahrhunderts führten die Brüder Rudolf, Friedrich und Theodor das Familienunternehmen.
Während des Wirtschaftswunders erlebten sie die Blütezeit ihrer Firma. Als die Tischlerei Bröker, auch aufgrund der Krise der Möbelindustrie, im Jahr 1978 Konkurs anmelden musste, war Theodor der letzte verbliebene Bruder. Auf dem Gelände des Unternehmens ließ sich die Fahrradfabrik H. und W. Sudbrack nieder, bis auch sie 1986 verschwand. 1997 wurden alle Gebäude auf dem Areal abgerissen. Heute befindet sich hier ein Supermarkt.
Apropos Möbelfabrik, apropos Brüder: Auch in Knetterheide-Wülferlieth gab es solch eine Firma. Geführt wurde sie von Albrecht Linne und den Brüdern Heinrich und Willi Stuckmann. Stuckmann & Linne stellte Einrichtungsgegenstände her. Allerdings verliefen die Werdegänge der beiden beteiligten Tischler-Brüder zunächst alles andere als geradlinig. Als Soldaten nahmen sie am Ersten Weltkrieg teil. Heinrich geriet sogar in französische Gefangenschaft und kam erst 1920 wieder zurück nach Knetterheide. 1939 wurde er erneut zum Militärdienst eingezogen. Er überlebte also beide Weltkriege als Soldat.
Etwas weiter bergauf, in der sich an die Bielefelder Straße anschließenden Asperheide, lebte der im Jahr 1900 geborene Gustav Beckmann. Als er in jungen Jahren mit einer Handgranate hantierte und diese plötzlich explodierte, verlor er sowohl sein Augenlicht als auch einige seiner Finger. Seinen Traum von einer Karriere als Schmied musste Gustav Beckmann aufgeben. Doch er erlernte das Flechthandwerk. Seine selbst hergestellten Fußmatten und Weidenkörbe verkaufte er in Knetterheide und in der näheren Umgebung.
Übrigens hat die Bielefelder Straße auch einen späteren Bundeskanzler gesehen: Im Zuge des Bundestagswahlkampfes 1961 hielt Willy Brandt eine Rede vor dem Gemeindehaus in Knetterheide.
Quellen: Gast, Fritz; Meyer, Franz (2017): Werl, Aspe und Knetterheide. Dorfleben in Bildern. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, S. 77, 100. // Linde, Roland; Meyer, Franz (2014): Bauernschaft – Gemeinde – Stadtteil. Zur Geschichte von Werl, Aspe und Knetterheide. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, S. 111, 112, 147, 148, 202.