Eigentlich hatte sich Monika Frodermann auf das Frühjahr gefreut. Die dunkelste Jahreszeit war vorüber, Corona sollte nun allmählich die Biege machen und sie selbst wurde für den Vorsitz des FDP-Stadtverbandes vorgeschlagen. Doch ausgerechnet an dem Tag, an dem Monika im Rahmen des kleinen Ortsparteitages gewählt werden sollte, brach über die Ukraine der Krieg herein. Kann man sich unter diesen Bedingungen noch für die Kommunalpolitik begeistern? Wir haben Monika gefragt.
Hallo Monika, wie haben dich die Entwicklungen in der Ukraine in den vergangenen Tagen beeinflusst?
Der Ausbruch des Krieges hat wohl niemanden kaltgelassen. Natürlich auch mich nicht. Von jetzt auf gleich ist alles anders geworden und die Wahrnehmungen sowie Prioritäten verschieben sich.
Auch in Bezug auf das Engagement für die Kommunalpolitik?
Zunächst schon. Wenn ich an den 24. Februar zurückdenke, dann kann ich mich gut daran erinnern, dass ich morgens nach dem Aufwachen durchaus etwas aufgeregt wegen der anstehenden Wahl des Stadtverbandsvorstandes war. Nach einem Blick auf mein Handy löste sich die ganze positive Aufregung jedoch auf und veränderte sich in blankes Entsetzen. ‚Scheiße, jetzt ist Krieg!‘, habe ich gedacht. Und es hat einige Zeit gedauert, bis ich mich wieder gesammelt hatte. Der Ortsparteitag war für mich plötzlich überhaupt nicht mehr präsent.
Ihr habt ihn dann dennoch durchgeführt und du bist zur Vorsitzenden des Stadtverbandes gewählt worden.
Das stimmt. Das war es dann aber auch erst mal, denn alle Mitglieder aus Stadtverband und Ratsfraktion haben danach einige Tage für sich selbst gebraucht. Ein Austausch, der durch die Corona-Pandemie ohnehin nur eingeschränkt möglich war, fand zunächst kaum statt. Ich bin mir sehr sicher, dass es den Vertretern der anderen Parteien ähnlich ging.
In der Politik geht es vor allem darum, Dinge anzustoßen und auf den Weg zu bringen. Wie fühlt man sich als Kommunalpolitikerin, wenn man plötzlich feststellen muss, dass eine einzelne, sehr mächtige Person einen Krieg mit unvorhersehbaren Folgen für viele oder sogar alle Menschen auslösen kann?
Das Gefühl der Machtlosigkeit habe ich nach dem 24. Februar tatsächlich sehr häufig erlebt. Immer zeitweise. Morgen kann alles anders sein: Zumindest das hat uns dieser Krieg gelehrt, wie immer er auch ausgehen mag. Ich denke, nahezu alle Menschen haben eine große Unsicherheit gespürt – ebenso die Politiker. Egal, ob sie auf kommunaler, landes- oder bundesweiter Ebene tätig sind. Ich habe irgendwann bewusst für mich entschieden, mich aufzuraffen. ‚Ich bin jetzt hier, und nirgendwo anders‘, habe ich mir gesagt. ‚Und weil das so ist, engagiere ich mich politisch weiter für meine Kommune Bad Salzuflen.‘ Das half. Obwohl das dumpfe Gefühl noch immer spürbar ist, kam die Motivation für die eigene Arbeit dann doch recht schnell zurück.
Wie kann die Kommunalpolitik direkt auf den Krieg in der Ukraine reagieren?
Sehr begrenzt. Zunächst ist die Stadtverwaltung gefordert. Und die ist ja auch schon tätig geworden, indem sie den Arbeitskreis Ukraine ins Leben gerufen hat. Hier geht es vor allem um die Unterbringung und Betreuung der bereits eingetroffenen oder noch zu erwartenden Menschen. Auch die FDP-Fraktion hat sich, wie bestimmt andere Parteien auch, Gedanken zur Unterbringung gemacht. Uns sind da vor allem die ehemalige Britensiedlung und die im Jahr 2015 errichteten Schlichtbauten am Bega-Bad-Parkplatz eingefallen. Bis heute gab es aber noch keinen Austausch zwischen den Parteien darüber.
Stichwort 2015: Auch damals flüchteten viele Menschen nach Deutschland. Siehst du Parallelen?
Einige schon. Dennoch unterscheidet sich die aktuelle Situation sehr deutlich von der damaligen. Die Hilfsbereitschaft ist heute um ein Vielfaches höher als 2015. Das bekomme ich auch im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit beim Kinderschutzbund mit. Die Spendenbereitschaft ist extrem groß. Ich denke, das liegt vor allem daran, dass der Krieg mitten in Europa stattfindet. Schließlich ist die ukrainische Grenze mit dem Auto an einem Tag erreichbar. Das macht uns Deutsche ängstlich, aber auch noch mitfühlender als vor sieben Jahren. Bleibt zu wünschen, dass die Hilfsbereitschaft auch dann noch anhält, wenn wir die Auswirkungen des Krieges selbst noch deutlicher zu spüren bekommen werden. Zum Beispiel durch weiter steigende Preise. Ich hoffe, dass die Bundesregierung darauf die passenden Antworten finden wird.
Der Krieg hat auch das Thema Corona in den Hintergrund treten lassen. Geht dir das auch so?
Der Krieg hat alles in den Hintergrund gedrängt! Wie schon gesagt, haben sich die Prioritäten verschoben. Auch für mich. Trotzdem muss ich mich als Kommunalpolitikerin mit allen Themen befassen, die an mich herangetragen werden. Auch wenn es mal schwerer fällt …
Glaubst du, dass der Krieg in der Ukraine die Menschen in Deutschland weiter spalten wird?
Das weiß ich nicht. Die Spaltung ist aber auch jetzt schon groß genug. Viele Menschen erreicht man mit Argumenten nicht mehr. Gleichzeitig meinen viele dieser Menschen, dass man uns nicht mehr erreicht. Das Konfliktpotenzial ist groß und lässt sich sicher auch nicht so schnell wieder beseitigen. Wir von der FDP haben das auch an den Reaktionen gemerkt, die wir durch die Unterzeichnung der Bad Salzufler Erklärung ausgelöst haben. Dadurch dass wir uns gegen die sogenannten Spaziergänge ausgesprochen haben, fühlten sich einige Menschen direkt von uns angegriffen. Auch diese Erfahrung werden die meisten anderen Parteien in unserer Stadt gemacht haben. Denn unterzeichnet haben fast alle.
Anmerkung: Das Interview haben wir als Momentaufnahme am 8. März 2022 geführt. Wohl wissend, dass sich in den folgenden Tagen die Situation in der Ukraine deutlich verändern kann.