Das zurückliegende Jahr wird der in Bad Salzuflen aufgewachsene Marco Göllner so schnell nicht wieder vergessen. Mit seinem ersten Buch Oma Martha & ich ist der wortgewandte Lipper in den Olymp der Literatur aufgestiegen – oder anders: Er ist jetzt Bestseller-Autor. Wir haben uns mit Marco getroffen, um von Oma Martha und der guten alten Zeit in Aspe zu schwärmen.
Hallo Marco, was hat dich dazu bewogen, mit 47 Jahren ein Buch über deine Oma zu schreiben?
Die Idee zu den Geschichten hatte ich bereits vor rund dreizehn Jahren, als meine Tochter Lilli Martha geboren wurde. Ich erinnerte mich an die Zeit mit meiner Oma und an meine Kindheit in Aspe. Ich habe damals vierzig Seiten dazu runtergeschrieben. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich die Erlebnisse, Redewendungen, Eigenarten und das Lebensgefühl meiner Kindheit festhalten sollte, bevor es aus meiner Erinnerung verschwindet. Allerdings habe nicht daran gedacht, ein Buch daraus zu machen.
Bis vor rund einem Jahr …
Die Idee kam tatsächlich nicht von mir. Der Rowohlt-Verlag ist auf die Intros aufmerksam geworden, die ich für den Fest-und-Flauschig-Podcast von Olli Schulz und Jan Böhmermann geschrieben und gesprochen habe. Als mich der Verlag um einige Beispiele meiner Arbeiten bat, habe ich denen ein paar Oma-Martha-Episoden geschickt. Die waren sehr angetan davon und haben mir daraufhin ein Angebot gemacht, das ich nicht ablehnen konnte …
Und das sich wohl auch für den Verlag gelohnt hat, denn dein Buch war mehrere Wochen auf der Spiegel-Bestseller-Liste.
Jau. Das war echt ein Ding, mit dem ich selbst nicht gerechnet hatte. Aber der Verlag hat an die Geschichten geglaubt. Allein vierhundert Bahnhofsbuchläden wurden promomäßig mit Oma-Martha-Material versorgt. Zusätzlich wurde mein Buch auszugsweise in der bahneigenen Zeitung db-mobil abgedruckt. Damit wurde es deutschlandweit bekannt. Als ich im Sommer davon erfuhr, war ich gerade in Norddeutschland im Urlaub und mit dem Auto liegengeblieben. Totalschaden. Ich hab kurz überlegt, ob ich eine Anzeige aufgebe: Bestseller-Auto zu verkaufen …
Apropos deutschlandweit. Funktioniert das Buch auch außerhalb des Lipperlandes?
Natürlich. Resolute Frauen wie Oma Martha, die zwei Weltkriege, einen oder zwei Männer verloren haben, gab und gibt es überall in Deutschland. Das bestätigten mir viele Leser, die ihre Tanten, Mütter oder Großmütter in den Geschichten wiedererkannten. Der Typus Martha ist ortsungebunden, das lippische Lokalkolorit ist dann das i-Tüpfelchen. Aber das hätte ich auch nicht anders machen können, denn ich bin ja hier wech.
Kommen wir zu dieser lippischen Mundart: Finden sich alle Begriffe, die du im Buch aufgreifst, auch heute noch in deinem Wortschatz wieder?
Viele, aber nicht alle. Apropos: Im nächsten Oma-Martha-Buch gibt es den wunderbar klingenden Begriff Bossrömken. Ich weiß zwar, dass damit ein abgetragenes Kleidungsstück gemeint ist, doch die genaue Bedeutung oder gar die Wortherkunft konnte ich nicht recherchieren. Falls ein Salzstreuner-Leser mehr zu diesem Wort weiß, kann er mich gern über Facebook anschreiben. Ich wäre sehr dankbar dafür.
Machen wir einen Sprung von den Siebzigern zu den Achtzigern. Wie ging es mit Omas Liebling weiter?
In Aspe bin ich zur Schule gegangen. Zunächst auf das Gymnasium, dann, nachdem ich in der Achten hängengeblieben bin, auf die Realschule. Dann kamen drei besonders lustige Jahre, weil in dieser Klasse irgendwie all diejenigen gelandet sind, die zuvor irgendwo klebengeblieben waren. Wir hatten viel Spaß. Da ich Spanisch lernen wollte, bin ich anschließend auf das Gymnasium am Werreanger gegangen. Bis zum Abi habe ich es dort allerdings nicht ausgehalten. Es folgten Zivi-Jahre bei Bethesda und ein Sozialarbeit-Studium in Bielefeld. Bei Radio Herford habe ich nebenbei gejobbt, außerdem konnte ich mich beim Hochschulradio in Bielefeld am Aufbau des eigenen Senders beteiligen. Für den praktischen Teil meines Diploms im Fach Medienpädagogik habe ich mein erstes eigenes Hörspiel entwickelt und geschrieben. Für eine meiner Figuren konnte ich Andreas Fröhlich gewinnen – Fans der Reihe Die drei ??? können nachvollziehen, was das für mich bedeutet hat. Nach dem Anerkennungsjahr beim WDR in Köln habe ich mich 2006 im Hörspielbereich selbstständig gemacht. Ich schreibe Geschichten, führe Regie und tackere alle einzelnen Schnipsel zu einem großen Ganzen zusammen. Auch vor dem Auftritt von Oma Martha war ich also schon mehr als gut beschäftigt. Zwangsläufig verschieben sich meine Tätigkeitsbereiche zurzeit gewaltig.
Und das wird sich im kommenden Jahr wahrscheinlich auch nicht ändern, denn das zweite Buch wird bereits angekündigt.
Richtig. Und der Titel steht auch schon fest: Der Junge hat doch nichts davongetragen? Aber mehr wird noch nicht verraten. Im Mai kommt es in die Buchläden.
Letzte Frage: In Oma Martha & ich beschreibst du einige skurrile Begegnungen, die deine Oma mit Helden der Popkultur hatte …
Ist das nicht der Wahnsinn, was diese Frau alles erlebt hat? Und alle Episoden sind wahr. In dem Buch stimmt nahezu alles. Üttchen konnte tatsächlich hervorragend Federball spielen, der Neckermann steht heute sogar bei mir in der Garage und die erste Gitarre bekam der kleine David Gilmour tatsächlich in Werther. Vielleicht habe ich damals die Wahrheit ein klein wenig anders interpretiert, als ich es heute machen würde. Aber ich war ja auch erst sechs Jahre alt …