Mit 35 Jahren hätte Robin Wagener Bürgermeister von Bad Salzuflen werden können – doch knapp drei Prozent haben bereits im Vorentscheid für die Stichwahl gefehlt. Drei Jahre nach der Wahl – und knapp zwei Jahre vor den nächsten Wahlen – haben wir Robin getroffen, um mit ihm über Vergangenes und Kommendes, über Motivationen und neue Ziele zu sprechen.
Was macht ein Bürgermeisterkandidat nach einer verlorenen Wahl?
Dasselbe, wie viele andere in ähnlicher Lebenssituation auch: Mit den Kindern spielen, sie durch die Gegend fahren und zur Arbeit gehen. Ich bin als Richter in Detmold tätig. Ach ja, Sport treibe ich auch; ich habe letztes Jahr nach über 20 Jahren Pause wieder mit Karatetraining angefangen.
Wie hast du den Wahlkampf erlebt?
Das Ganze war eine intensive, lehrreiche Zeit mit unheimlich vielen Kontakten zu sehr verschiedenen Menschen. Ich hätte nie gedacht, ohne die Unterstützung einer der damals großen Parteien so viel Zuspruch zu bekommen. Insofern war das Wahlergebnis ein positiver Schock für mich. Ich habe am Wahlabend schon ein bisschen gebraucht, die Balken bei den Hochrechnungen zu realisieren.
Wolltest du schon immer Bürgermeister werden?
Nein. Ich bin aber schon seit meinem sechszehnten Lebensjahr politisch aktiv. Ich war elf Jahre im Rat, davon neun als Fraktionsvorsitzender, war DRK-Vorsitzender in Bad Salzuflen, Bundesleiter des Jugendrotkreuzes und auch an anderen Stellen engagiert. Zudem habe ich als hauptamtlicher Referent beim Städte- und Gemeindebund einiges über kommunale Selbstverwaltung gelernt.
Wäre es mit einer anderen Partei als den Grünen einfacher gewesen?
Vielleicht. Aber um das ganz deutlich zu betonen, weil es mir für das Verständnis des Amtes wichtig ist: Den Bürgermeisterwahlkampf habe ich nicht als Vertreter einer Partei oder auch mehrerer geführt. Das Amt ist kein parteipolitisches. Da wird ein Mensch aus der Stadt von seinen Mitbürgern in ein besonderes Amt gewählt. Da habe ich kandidiert mit den genannten Facetten und ich freue mich, dass ich dabei von vier Parteien bzw. Wählervereinigungen unterstützt wurde. Aber es ging nicht um einen Parteiwahlkampf.
Wie und wo bringst du dich heute politisch und ehrenamtlich ein?
Ich bin ehrenamtliches Mitglied im Landesvorstand der Grünen NRW und lippischer Kreisvorsitzender der Grünen. Zudem bin ich in meiner Kirchengemeinde – in Bergkirchen – im Vorstand und gestalte als Prädikant ehrenamtlich Gottesdienste. Und dann habe ich mich gerade bereit erklärt, im Karateverein beim Training einer Kindergruppe mitzuhelfen.
Die Politik(er)verdrossenheit sorgt zurzeit für Verhältnisse, wie sie sich vor wenigen Jahren wohl nur wenige Menschen hätten vorstellen können? Woran liegt das?
Es ändert sich unheimlich viel und das sehr schnell. Globalisierung, demografischer Wandel, Digitalisierung, Klimawandel, gesellschaftliche Freiheit und Gleichberechtigung – alte Gewissheiten geraten ins Wanken. Das verunsichert viele Menschen. Denn man kann ja gar nicht alles verstehen, was sich in der Welt so tut. Der Wandel ist aber nun da. Zum Teil ist er gut für uns, zum Teil nicht, aber jedenfalls ist er Realität. Und wir können ihn nicht wegwünschen. Ein großer Teil der politischen Antwortversuche besteht aktuell darin, entweder vorzugaukeln, dass alles so bleiben kann, wie es ist oder alte Antwortmuster aus dem letzten Jahrhundert rauszuholen. Oder Angst zu schüren, dass alles ganz schrecklich ist. Wir können uns die Welt aber nicht besser wünschen und auch nicht besser meckern, sondern sie nur gemeinsam besser machen. Und wenn die Herausforderungen so groß sind, der Wandel so deutlich ist und die Politik die Zeit dann nur mit Koalitionsspielereien und lustlosem Verwalten vertrödelt, gleichzeitig den Menschen aber auch Angst macht – dann führt das bei manchem zur geschilderten Verdrossenheit. Verstärkt wird diese Haltung, wenn man mitbekommt, dass der Staat an manchen Stellen schnell und an anderen Stellen kaum handlungsfähig ist.
Es gibt viele wichtige Regeln zu Korruptionsprävention, sozialer Absicherung, Gesundheits- und Umweltschutz. Wir müssen auch da als Staat handlungsfähig sein und Regeln vorgeben. Wenn aber einerseits die Regelungs- und Kontrolldichte im Kleinen so groß ist, dass bestimmte Feste nicht mehr durchgeführt werden können, Vereinsschatzmeister mit den Formalia nicht hinterherkommen und Gründer mehr mit den Regeln als mit ihrem Geschäft befasst sind, auf der anderen Seite aber große Automobilkonzerne offenbar völlig bewusst zum Nachteil der Kunden mogeln dürfen, dann kann auch das zu Verdrossenheit führen.
Oder bei uns vor Ort: Die Stadt kann den Kurpark und die Fußgängerzone schön machen – ich finde das alles wirklich wichtig und sehr gut gelungen – und ist natürlich in der Lage, problemlos Steuer- und Bußgeldbescheide durchzusetzen. Aber wir schaffen es nicht, das Freibad im heißesten Jahr seit Wetteraufzeichnungsbeginn durchgängig zu öffnen oder eine so verlässliche Kinderbetreuungsplanung rechtzeitig zu machen, dass Eltern nicht jedes Jahr zittern müssen, ob sie einen Betreuungsplatz haben oder ein Elternteil den Beruf aufgeben muss. Da demonstrieren wir eine sehr selektive Handlungsfähigkeit des Staates. Da merke ich ja selbst Verdrossenheit bei mir. Allerdings spornt sie mich an.
Also stehst du 2020 wieder zur Wahl?
Weiß ich tatsächlich noch nicht, aber die klassische Politikerantwort „die Frage stellt sich jetzt nicht“ zieht wohl nicht. Sie stellt sich, sie wird mir gestellt und ich denke intensiv darüber nach, werde mich mit meiner Familie und auch politischen Weggefährten beraten und dann etwas dazu sagen.