Jede Leidensfähigkeit hat ihre Grenzen. Und jede Leidenschaft hat ihren Gefrierpunkt. Bei den Salzufler Wirten ist der Grenzpunkt überschritten, bis zu dem sie sich vom Bezahlsender sky finanziell ärgern lassen wollen. Den jetzt – nach der Fußball-WM – von sky taktisch clever platzierten Preisangriff auf die Fußball zeigenden Wirte kontern diese mit einem Gegenangriff: Indem sie einfach kollektiv das Spielfeld verlassen.
Die Bad Salzufler Gastronomen sind sich laut Lebenslang-Wirt Jupp Westfeld einig: Die nächste Preisoffensive des Bezahlsenders machen sie nicht mehr mit. Geschlossen werden sie das Sonderkündigungsrecht von sky wahrnehmen und ihr Live-Fußball-Angebot von der Karte streichen. Dass nach der Fußballweltmeisterschaft und dem gewonnenen Titel eine Preiserhöhungen kommen konnte, darauf waren Westfeld und seine Kollegen gefasst. Dass allerdings die Erhöhung im Vergleich zum Oktober 2013 bei einigen Wirten eine Verdoppelung der ohnehin schon spürbaren Kosten bedeuten könnte, damit hat niemand gerechnet.
Anno, Ratsstübel, Lebenslang, Tante Emma Klar Text, Die Kleine Kneipe, Zur Kate, Dreiländereck (Bei Apitz), Zum Stumpfen Turm und sogar das Vereinsheim des SV Werl-Aspe – sie alle werden nun geschlossen ihr Abo bei sky kündigen, um dem Bezahlsender zu zeigen, dass man die Rechnung auch in Bad Salzuflen nie ohne den Wirt machen sollte. Erst recht nicht, wenn sich die Wirte in einer Stadt so einig sind wie in Bad Salzuflen.
Ob sky in Anbetracht dieser Geschlossenheit (die sich übrigens auch schon in vielen anderen Städten und Regionen des euphorisierten Landes der Fußball-Weltmeister zeigt) zurückrudert und sich eine neue Taktik einfallen lässt oder nicht, festzustellen bleibt, dass Fußball längst zum überinszenierten Produkt (mit irrsinnigen Gehältern, Ablösesummen und Fernsehgeldern) mutiert ist, an dem viele Menschen Unsummen an Geld verdienen. Und dieses Geld muss irgendwie reinkommen. Entweder von den Fernsehzuschauern direkt oder über die Gastronomen, die Fußball live zeigen. Und das ist nur ein Aspekt der Geldmaschine Fußball, die irgendwann einmal ein Sport war. ta
Unser Kommentar:
Erst Foul, dann Eigentor
Dass ein Bezahlsender Geld verdienen möchte, versteht sich von selbst. Dafür muss er möglichst viele Abos verkaufen – Rudelglotzen in der Kneipe passt da schlecht ins Unternehmenskonzept: Wer in der Kneipe mit Freunden schaut, braucht daheim kein Abo. Spielt sky den Gastronomen deshalb übel mit und zieht die Preise kontinuierlich so lange an, bis auch der größte Platzhirsch klein beigeben muss?
In diesem Fall wäre das Ziel klar: Die Leute sollen sich gefälligst selber ein Abo für die eigenen vier Wände bestellen. Und genau das kann für das börsennotierte Unternehmen aus Unterföhring zum Eigentor werden. Denn jeder hat jemanden im Freundes- und Bekanntenkreis, der sky schon bezieht. Selbst die größte Miesmuschel unter den Nachbarn dürfte also plötzlich zum besten Kumpel werden, wenn am Samstagnachmittag auf dessen Terrasse Fußball geguckt werden kann …
Für die ohnehin schon gebeutelten Wirte (EU-Auflagen, Lärmschutzauflagen, Nichtraucherschutzgesetz, Bierpreiskartell …) nicht nur in Salzuflen ein weiterer Schlag ins Gesicht. Und der geneigte Fußball-Fan? Ärgert sich weiterhin über schlechte Moderatoren und sogenannte Experten, wundert sich über das Kneipen-Sterben und hofft inständig, dass nicht Frau Kastrop sondern ihre Geschäftsführung mal einen Ball an den Kopf bekommen …
Christian Meinardus