Voehls Welt August 2011
von Uwe Voehl, Illustration von Ulrich Tasche

Sommer – jetzt also doch. Vor kaum zwei Wochen sah das noch anders aus. Es schien, als ginge der Frühsommer übergangslos in den Herbst über. Und das weitgehend ohne Sommermärchen, Grillpartys, Freibadgaudi und Hitzerekorde. Zum Glück gab’s im Brogsitter wenigstens ein paar exotische Sommer-Cocktails. Bei einem Mai Tai ließ es sich auch bei 15 Grad im Regen träumen:

„Kennt ihr den noch?“, fragt Willy und summt heischend in die Runde: „Monotonie in der Südsee, Melancholie bei dreißig Grad. Silvester auf Tahiti, Heiligabend auf Hawaii …“

„Bikini, Bikini, Bikini…“, singen wir alle im Chor und werden irgendwie melancholisch.

„Ja, früher“, sage ich. „Da waren die Sommer noch ideal, damals in den frühen Achtzigern.“

„Quatsch!“, sagt Günni. „Ein paar Jahre vorher, 1975, beklagte Rudi Carrell schon: Wann wird’s mal wieder richtig Sommer! Deutsche Sommer waren schon immer nur im Ausland zu ertragen – bis auf ein paar Ausnahmen abgesehen!“

„Wieso fliegen wir dann nicht alle in die Südsee? Liegen lässig in der Hängematte und lassen uns von heimischen Schönheiten coole Cocktails servieren?“, schlage ich vor und lächle der hübschen Serviererin zu. Sie trägt eine Blumenkette um den Hals und ein schickes Baströckchen. Der dritte Mai Tai zeigt allmählich Wirkung.

„Ihr ahnt gar nicht, welche Gefahren euch im Ausland erwarten“, warnt Fee, die ehemalige Waldorfabsolventin. „Noch nie was vom Ventilatortod gehört?“

„Ne, tanz mal vor!“

„In Korea zum Beispiel, da lauft ihr echt Gefahr, durch einen über Nacht in einem geschlossenen Raum laufenden Ventilator zu sterben. Das betrifft auch Klimaanlagen. Die Koreaner nennen es den Ventilatortod.“

„Und warum nur in Korea?“

„Natürlich auch anderswo. Wir merken es nur nicht. Weil wir nicht daran glauben. Genauso wie du nicht daran glaubst, dass du die Mückenmacht verletzt, wenn du eine Mücke erschlägst.“

„Die Mückenmacht?“

„Die Apachen sind davon überzeugt, dass dich die Dinge, die dich mit heiliger Macht umgeben, krank machen, wenn du sie verletzt. Verletzt jemand die Tabus, welche die Dinge umgeben und in denen die heilige Macht wohnt, macht ihn dies krank. So verletzt du die Hirschmacht, wenn du einen Hirschen brätst. Wenn du auf eine Schlange trittst, verletzt du die Schlangenmacht, und dich trifft es wie ein Blitzschlag. Wenn du eine Mücke erschlägst, erhältst du zumindest einen leichten Schlag…“

„Alles Quatsch! Außerdem ist das nur ein Aberglaube! Zurück zum Sommer!“, verlange ich.

„Nix nur Aberglaube!“, mischt sich Hüsni ein. „Oder zweifelt ihr daran, dass das blaue Auge der Heiligen Fatma vor neidischen Blicken, Armut, Krankheit und Ärger schützt?“

„Aberglaube hin oder her, mir fehlt die Hoffmannskatze, die vorm Heimatmuseum stand. Hab ihr jeden Morgen über den Bauch gestreichelt, das brachte Glück. Jetzt gehe ich morgens zehn Minuten länger zur Arbeit, weil sie nun in der Hoffmannstraße ihr Dasein fristet“, sagt Willy.

„Wenn was dran ist mit dem Wünschen: Dann gehen wir jetzt alle da hin, streicheln dem verflixten Katzending übern Bauch und wünschen uns ins Tiki-Taka-Land“, schlage ich vor.

„Oder in Türkei!“

„Hauptsache ganz weit wech!“

„Hauptsache Sommer!“

Darauf noch einen Mai Tai!

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