„Sag mal, was ist an eurem doofen Bad Salzuflen eigentlich so sexy, dass du dort schon seit über zwanzig Jahren wohnst?“, fragte mich neulich meine Freundin Silvia aus dem Ruhrpott am Telefon.
Ich meine, ausgerechnet Ruhrpott: Wo die Arbeitslosenquote höher als die alten Halden sind, jeder Einheimische, der was auf sich hält, mindestens einen Bergmann als Ahnenfoto überm Sofa hängen hat und das Wort Kohle noch seine ursprüngliche Bedeutung als Heizmaterial besitzt.
Außerdem kann ich mit ‚sexy‘ nun gar nichts anfangen.
Aber von wegen Kohle: „Na ja, immerhin gibt’s hier ne ziemlich hohe Millionärsdichte“, fällt mir spontan ein.
„Wahrscheinlich alles alte Tattergreise. Und die bessere Currywurst gibt’s hier auch. Übrigens, das heißt jetzt ja nicht mehr ‚sexy‘. Neuerdings verwendet man den Ausdruck ‚schick‘!“
Silvia muss es wissen. Schließlich ist sie Texterin in einer Werbeagentur.
Aber ‚schick‘ ist irgendwie auch nicht so mein Ding.
„In den Fünfzigern hieß das ‚steil‘ – ‚wie steiler Zahn‘, erinnere ich mich vom Hörensagen.
„Klar, und wir im Ruhrpott sagen noch immer ‚tofte‘ – wie Jürgen von Manger“, lästert sie.
Gefällt mir alles nicht.
Aber mir fällt auch nichts Besseres ein.
‚Sexy‘ wäre jedenfalls das letzte Wort, das mir in Zusammenhang mit Bad Salzuflen einfiele.
Ein paar Tage später gebe ich die Frage mal in die Runde meiner Experten weiter.
„Was meinst du mit chic?“, fragt Hüsni irritiert.
„Nicht chic. Schick, mit Es-ze-ha!“
„Er meint geil“, erklärt Günni, der Philosoph in unserer Runde.
„Geil is große Flohmarkt auf Herforder Straße, wo du kriechst alles,auch Rollex billich wie in Türkei.“
„Ja, und genauso falsch. Falsche Rollex-Uhren sind eindeutig unschick!“, entscheide ich.
„Das heißt unsexy!“, beharrt Günni energisch.
„Sexy ist übrigens eine Frage der Uhrzeit. Wenn du vormittags um elf Uhr durch die Fußgängerzone gehst, kannst du die Stützstrümpfe und Gesundheitsschuhe gar nicht mehr zählen, die an dir vorbeiflanieren. Ganz anders am frühen Abend, wenn die Oldies ihren Schlummertrunk intus haben und die Bühne endlich uns Jungvolk gehört.“
„Na ja, so jung sind wir auch nicht mehr, und das Pflaster in der Innenstadt ist für High Heels generell nicht gerade der passende Laufsteg“, wende ich ein.
„Quatsch Innenstadt! Ratet mal, wo’s in Bad Salzuflen am allerschärfsten ist?“, quasselt Willy, unser Großmeister komödiantischer Tiefschläge dazwischen. „Ich verrat´s euch – an der B 239! Bei Curry!“
„Verstehe ich nicht.“
„Na: Scharf – Currywurst – und Bratwurst- Stefan an der B 239 in Holzhausen! Und scharfe Frauen laufen da auch immer auf.“*
Und ich weiß plötzlich, welches Wort ich seit Silvias Anruf so verzweifelt gesucht habe.
Scharf ist das neue Geil!
*Aber nur freitags und samstags – direkt vorm Blumenladen Eikmeier.