„Erhängen?“
„Der Haken ist noch nicht geschmiedet, der das Gewicht halten würde.“
„Erschießen?“
„Sie ist ein echtes Ungeheuer – da helfen nur Silberkugeln.“
„Also doch vergiften?“
„Bringt nicht‘s. Sie spuckt selbst genügend Gift und Galle.“
„Außerdem ist sie auch noch Erbtante. Wenn ich sie umbringe, wird das nichts mit der Erbschaft. War ja auch nur so eine Idee.“
Aber so, wie es aussieht, wird sie mich eh enterben. Tante Emmie ist nämlich sehr nachtragend. Vor allem, wenn man ihre Wünsche nicht erfüllt. Hüsni, Günni und ich haben uns soeben während der Mittagspause bei Tchibo überlegt, wie man sie erlegen könnte. Bevor sie mich umbringt natürlich. Denn sie wird sauer sein, sehr sauer.
„Jungchen, ich freue mich so darauf, euch in eurem schönen Bad Salzuflen mal wieder besuchen zu kommen. Der Wetterfrosch hat was von Frühling und Sonne gequakt.“ So oder so ähnlich hatte ihre als gewöhnlicher Anruf getarnte Drohung gelautet.
„Herrlich, dann können wir ja in den Kurpark gehen und Boot fahren.“
„Bist du jeck? Ich will shoppen!“
„Shoppen am Sonntag?“
„Ja, das war doch das letzte Mal so herrlich bei euch. Da hab ich mir das rote Kleid gekauft, das nachher alle so bewundert haben…“
Stimmt, da war etwas. Aber es muss Jahre her gewesen sein.
„ … all die schönen Läden“, schwärmte Tantchen unterdessen weiter. Seltsam, so friedlich kannte ich sie gar nicht. „In dem Reformhaus habe ich mir doch die Schere unter den Nagel gerissen. Und im Buchladen den Krimi von Monica Mirelli, den mir die Verkäuferin ans Herz gelegt hat. Und ganz am Schluss waren wir noch in diesem Tabakgeschäft, haben mit der Inhaberin eine Zigarre geraucht und für deinen Onkel eine Flasche Talisker als Mitbringsel gekauft.“
„Tantchen“, sage ich ganz vorsichtig. „Warum kommst du nicht einfach Samstag vorbei?“
„Samstag? Da haben die Geschäfte doch auch bei uns auf! Sonntags, da ist überall tote Hose, nur in eurem Bad Salzuflen nicht …“
Ich überlege, wie ich ihr beibringen soll, dass das mit dem regelmäßigen Sonntagsshopping seit ein paar Jährchen vorbei ist.
Losgelöst hat das ein Geistlicher aus Hiddenhausen, der den Bibelvers „Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbat willen“ (Markus 2.27) eben nicht so verstand, dass der gemeine Mensch den Sonntag auch mal ganz gern dazu nutzt, um in aller Ruhe einzukaufen. Infolgedessen war er der Ansicht, dass die Einzelhändler in Bad Salzuflen sich an Sonntagen nicht an das vom Landesgesetz vorgeschriebene Warensortiment hielten. Und schon war es vorbei mit der schönsten Einkaufsoase Ostwestfalens.
„Übrigens? Was ist der Unterschied zwischen Dosenpfand, dem Kraftstoff E 10 und dem Verkaufsverbot an Sonntagen?“, fragt Günni, der bisher geschwiegen hat. Wie immer kennt nur er selbst die Antwort: „Es gibt keinen Unterschied. Alles drei macht keinen Sinn!“
„Und was mache ich jetzt mit Tante Emmie?“, frage ich in die Runde.
Plötzlich hat Hüsni eine Idee: „Ganz einfach: Du führst Tante über große Flohmarkt an Herforder Straße: Dort gibt’s alles – auch rote Kleider.
„Ich weiß nicht recht. Und was ist mit der Zigarre?“
„Nachher von Tankstelle!“
„Und das Mitbringsel für Onkel Theo kaufen wir beim Türken, was?“, entfährt es mir.
Es bringt alles nichts: „Wir stimmen jetzt ab: Wer ist für Erhängen …?“