Voehls Welt Januar 2011
Hier Mann, ist das dein Portemonnaie?, fragt er in fließendem Deutsch…

Ich lebe in einer der kriminellsten Städte der Welt. Bereits wenn ich das Haus verlasse, lauert mir jemand auf. Es ist der Postbote. Er hat gestern eine Nachnahmesendung in meinen Briefkasten geworfen und will das Geld haben. Natürlich habe ich ihm gestern nicht geöffnet. Man weiß ja nie, wer vor der Tür steht. Vielleicht ist es ja auch nur ein verkleideter Postbote gewesen. Zähneknirschend zahle ich.

Ich steige in meinen Wagen, fahre zu REWE und stelle fest, dass mir eine Schranke die Zufahrt zum Parkplatz versperrt. Ich ziehe eine Karte. Diese Gangster! Fordern sogar ein Lösegeld, bevor sie mich wieder vom Parkplatz lassen. Vorm Schuster-Bub stelle ich meinen Wagen ab und springe schnell rein. Danach muss ich noch kurz in die Lange Straße.

Vorm Heimatmuseum stelle ich fest, dass es verbarrikadiert ist. Da nutzt mir auch mein Seniorenausweis nichts. „Hier kommt demnächst eine Pizzeria rein“, klärt mich ein Passant auf. Verstehe, Mafioso, denke ich. Und dafür musste unser schönes Heimatmuseum geräumt werden? Ich fasse es nicht. Aber Kriminalität funktioniert heutzutage global und macht auch vor unserer schönen Stadt nicht halt.

Als ich wieder zurückkomme, sind sie gerade dabei, meinen Wagen abzuschleppen. Einer der Herren spricht gebrochen Deutsch. Ich setze mich gegen die polnischen Autogangster zur Wehr, bis sie endlich abziehen. „Das kommt Sie teuer zu stehen!“, schimpft einer der Fahrer. „Und eine Anzeige wegen Körperverletzung kommt noch dazu!“ Ich habe ihm ein blaues Auge verpasst. Natürlich ist mir kein Mensch zu Hilfe gekommen. Kennt man ja: Keiner will in was Kriminelles verwickelt werden. Ich normalerweise auch nicht.
Ich entschließe mich, einen Spaziergang im Kurpark zu unternehmen. Dort ist die Welt noch in Ordnung. Ein Rentner schlägt mit einem Krückstock auf zwei verbotswidrig freilaufende Hunde ein. Wahrscheinlich Kampfhunde. Ich helfe ihm dabei, die beiden Teckel einzufangen und so lange festzuhalten, bis der Besitzer sich endlich bequemt, sie anzuleinen. „Das nächste Mal hole ich die Polizei!“, drohe ich.

Plötzlich vermisse ich mein Portemonnaie. Taschendiebe! Zu Dutzenden sind sie unterwegs, um an unsere Rente zu kommen! Jetzt werde ich wirklich nervös. Als ich mich umschaue, sehe ich eine Gruppe junger Ausländer. Aha, Gefahr erkannt, Diebe ertappt! Als sie auf mich zukommen, wird mir dann doch mulmig. War ihnen das Geld nicht genug? Wollen sie nun auch noch über mich herfallen. Einer streckt den Arm aus. Mit dünnem Bart an der Backe. Reflexartig zucke ich zurück.

„Hier Mann, ist das dein Portemonnaie?“, fragt er in fließendem Deutsch. Sicher verstellt er sich, unter seinesgleichen spricht er wahrscheinlich Kanaken-Deutsch. Ich reiße ihm das Portemonnaie aus der Hand und zähle das Geld. Stimmt sogar. Finderlohn gebe ich nicht. Nachher glaubt er noch, er müsste noch mehr Portemonnaies klauen.

Als ich endlich wieder zu Hause bin, bin ich nassgeschwitzt. Für heute reicht’s! Ich schließe die Tür mit dem Mehrfachriegelschloss, lasse die Rollläden herunter und setze die Alarmanlage in Betrieb.

Ich lebe in einer der kriminellsten Städte der Welt. In Bad Salzuflen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kommentare

Wie witzig. Leider sehen Leute, die hauptberuflich mit dem Thema zu tun, die Sache nicht ganz so entspannt. Aber gut, wenn noch im Rahmen des HSK Jugendeinrichtungen und Sportvereine auf der Strecke bleiben, ist bald alles gut.